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Strassenmusik: Tag 2


Aufstehen, Kaffeetrinken, Repertoire zweimal durchspielen und ab auf die Strasse. Das war zumindest der Plan. Nur, das Projekt "Strassenmusik", hat mit dem Anbrechen des Tages, ganz schnell an Glanz verloren. Irgendwie klingt es auf einmal nicht mehr so romantisch...


Die typischen Gedanken der Unsicherheit wie - was soll Strassenmusik schon bringen? - Was für eine Schnappsidee? - Ich übe anstelle dessen einfach viel im Hotel, nähren mein Bewusstsein. Zum Glück wächst aber auch der Unmut in mir, das Vorhaben womöglich nicht in die Tat umzusetzen. So gebe ich mir einen Tritt in den eigenen Hintern und ziehe los. Es stellt sich schwieriger als erwartet dar, einen geeigneten Platz zum Spielen zu finden. Die Entdeckung einer netten Pizzeria verlängert meine Gnadenfrist. Ich gebe der Versuchung bereitwillig nach und rede mir ein, etwas Kleines verdient zu haben, was ich allerdings selber nicht richtig glaube. Nachdem Essen checke ich die Stadt weiter ab. Ich halte nach anderen Strassenmusikern Ausschau und beobachte, was die Polizei so treibt. Kaum will ich mich am ersten Plätzchen installieren, kommt auch schon ein Roma und macht mir ziemlich unmissverständlich klar, dass das seine Ecke sei. Zumindest weiss ich jetzt, dass meine Überlegungen was einen guten Standort betreffen, richtig waren. An einem anderen geeigneten Platz angekommen, lege ich sofort los und beginne zu spielen. Schon nach wenigen Sekunden wird mir klar, wieso man Intensität auf der Strasse lernen kann. Denn, kein Mensch interessiert sich für mich! Die sehen mich noch nicht mal. Ich beginne immer mehr zu geben, präsenter zu wirken, die Leute mit Blicken einzufangen etc. Aber ich scheine unsichtbar bzw. unhörbar zu sein. Das zweitletzte Stück, welches ich heute spiele, ist Don’t worry be happy. Aha! Das ist es, die Leute schenken mir das erste Mal Beachtung. Die eine tanzt und ein anderer bleibt stehen weil er offensichtlich mit mir reden will. Als letzten Song spiele ich schliesslich Stand by me. Nicht gerade mein Paradestück und dennoch scheine ich die Passanten, selbst mit dieser Darbietung, eher zu erreichen, als mit den Titeln davor.

Auf dem Rückweg ins Hotel komme ich zum Schluss, dass es insbesondere am Groove der Songs liegen muss und/oder, ich spiele die anderen Lieder schlicht zu lahm.


Die Ausbeute von heute: 1.40 Euro!

Ehrlich gesagt, war mir heute der grösste Lohn, ein wenig Beachtung geschenkt zu kriegen. Am schwierigsten fand ich nämlich, der Nichtbeachtung der Passanten ausgesetzt zu sein. Zudem betrachtete mich, eine grosse Mehrheit der Leute, irgendwie als Aussätzigen. Zumindest gefühlt. Es zogen viele ihre Kinder von mir weg oder machten einen grossen Bogen um mich herum, als ob ich eine ansteckende Krankheit hätte. Aber mir ist natürlich auch klar, dass ich diese Ausrede nicht jeden Tag gelten lassen kann. Ich werde morgen einfach besser spielen müssen.

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